Das Internet zur Kasse bitten – Wie der Einstieg ins E-Commerce gelingt

Sie haben ein Geschäft oder betreiben eine Filiale und möchten jetzt Ihr Business auf das Internet ausweiten? Sie wollen ins E-Commerce einsteigen und einen Online-Shop eröffnen? Was dabei zu beachten ist, welche Kanäle sinnvoll sind und weitere Antworten gibt unsere Expertin Jenny Gruner im folgenden Interview
Was ist zu beachten, wenn man ganz frisch in das Thema E-Commerce einsteigen will? Finden Sie zu allererst so viel wie möglich über Ihre potenziellen Kunden heraus. Wie und wo sie im Internet unterwegs sind, welche Wünsche sie haben. Analysieren Sie den Markt. Wer sind Ihre Wettbewerber, was funktioniert im Web und was eher nicht. Finden Sie Ihre Nische, etwas was Ihr Angebot einzigartig macht. Bedenken Sie, dass E-Commerce mehr ist als ein reiner Abverkauf von Produkten und Dienstleistungen. Sie müssen nicht nur Kunden gewinnen, überzeugen und sie betreuen. Shop-Software, Warenwirtschaft, Logistik, Bezahlverfahren oder Retourenmanagement sind wichtige Bausteine für einen erfolgreichen E-Commerce-Start. Je nach Größe Ihres E-Commerce-Projektes lohnt es sich oft, einen E-Commerce-Berater hinzuzuziehen. Welche Waren eignen sich für E-Commerce? Welche Branchen funktionieren gut und in welcher Branche wird online nur gesucht und offline gekauft? Sehr gut funktionieren digitale Güter (E-Books, Musikdownloads, Software etc.), da es hier keinen Medienbruch gibt. Bücher und Kinokarten verkaufen sich gut, weil der Nutzer im Grunde weiß, was ihn erwartet. Je erklärungsbedürftiger und teurer ein Produkt, desto größer die Hürde, es online zu bestellen. Bekannte Marken, denen die User vertrauen, haben es oft leichter als No Names. Reisen und Finanzdienstleistungen sind klassische ROPO-Güter. Bei Unterhaltungselektronik gibt es auch oft, den umgekehrten Effekt. Der Kunde lässt sich die Spiegelreflexkamera vom Fachmann erklären und kauft dann ein günstiges Angebot im Netz. Physische Produkte haben generell das Handicap, dass man sie nicht ausprobieren kann. Das kann zum ROPO-Effekt (research online – purchase offline) oder kostspieligen Retouren führen. Generell gilt, je umfassender und aussagekräftiger ein Produkt präsentiert wird, desto größer die Chance, dass es sich online verkauft. Den größten Umsatz machen große Konzerne wie Amazon. Haben kleine Shops eine Chance oder gibt es diese nur wenn sie über eine andere bekannte Marke wie z.B. Dawanda oder Amazon verkaufen? Ganz klar ja, kleine Shops haben eine Chance, wenn sie eine Nische bedienen oder ein besonders originelles Konzept realisieren. Eine gute Kommunikationsstrategie und Kundenansprache ist wichtig. Social Media Aktionen können hier ein vielversprechender und preiswerter Weg sein. Welche Online-Vertriebskanäle man wählt, hängt sehr von Zielgruppe und Angebot ab. Welche Rolle spielen Preisvergleichsportale und Produktsuchmaschinen? Wenn Sie sich in einem preissensiblen Markt bewegen und wenn ein guter Preis ihr Verkaufsargument ist, sind Preissuchmaschinen ein relevanter Vertriebskanal. Muss ein Shop auch mobil nutzbar sein? Unbedingt, es sei denn, Ihre Zielgruppe ist mobil nicht erreichbar. Bei wachsender Smartphone und Tablet-Anzahl wird das aber immer unwahrscheinlicher. Welche Rolle spielen Social Networks? Je nach Zielgruppe ist Social Media ein wichtiger Kanal, um mit seinen Kunden in Dialog zu treten und sich eine Fangemeinde aufzubauen. Nicht jedes Produkt eignet sich für den Vertrieb über Social Media und Shops in Facebook haben bisher kaum Erfolg. Allerdings wird sich in Sachen Social Commerce in den nächsten Monaten einiges tun und mit Formaten wie „Facebook Offers“ bietet Facebook interessante und kostengünstige Möglichkeiten neue Kunden zu gewinnen und den Verkauf im eigenen Onlineshop anzukurbeln. Mein Tipp: Community aufbauen und pflegen. Werbemöglichkeiten und Aktionen ausprobieren. Thema Bezahlung: Was muss man als Shopbetreiber beachten, was hat sich bewährt? Gängige Bezahlmethoden in Shops sind Vorauskasse und Nachnahme, Rechnung, Bankeinzug oder die Kreditkartenzahlung. Zunehmend trifft man in Shops auch Paypal an. Wichtig ist, dass zur Übertragung der Zahlungsdaten ein SSL-verschlüsseltes https-Protokoll eingesetzt wird. Das weckt das Vertrauen des Kunden und führt weniger zum Abbruch eines Einkaufs. Ebenso ist eine gewisse Auswahl an Bezahlmethoden elementar. Nichts ist abschreckender für einen Kunden als einen vollen Warenkorb aufgrund einer nicht gebotenen, aber gewünschten Zahlungsoption zu leeren. An dieser Stelle muss zusätzlich noch darauf hingewiesen werden, dass am 01.08.2012 per Gesetz die „Button-Lösung“ in Deutschland in Kraft trat. Diese besagt, dass der Bestellbutton mit Formulierungen wie „kaufen“ oder „kostenpflichtig bestellen“ gekennzeichnet sein muss. Trifft dies nicht zu, kann es zur Abmahnung kommen. Mittels A/B-Split-Tests kann man die beste Bezeichnung analysieren und im Shop einsetzen. Ergänzt E-Commerce den stationären Handel oder konterkariert er ihn? Ja und Nein. Das kommt auf das Konzept drauf an und insbesondere wie man in einem Unternehmen damit umgeht. Als stationärer Händler kann man natürlich auf die Idee kommen, dass ein Online-Shop das eigene Ladengeschäft bedroht. Und ja, es findet auch bei einigen Händlern eine Verschiebung statt vom „klassischen Handel“ (sei es stationär, via Katalog o.ä.) zum Einkauf im Netz. D.h. aber nicht, dass ein stationärer Händler E-Commerce jetzt meiden sollte. Ganz im Gegenteil. Die Einkaufsgewohnheiten der Menschen verändern sich. Die E-Commerce-Umsätze steigen und deshalb ist es wichtig, seine Kunden auch an dieser Stelle abzuholen und Marktanteile zu erobern, bevor es der Wettbewerb tut. Bestehende stationäre Händler haben zudem den Vorteil, dass sie ihre Zielgruppe kennen und bereits über Logistik, Warenwirtschaftssystem o.ä. verfügen im Gegensatz zu gänzlich neuen Marktteilnehmern, die nur auf das Online-Business fokussiert sind. Wichtig ist eine intelligente Verknüpfung herzustellen z.B. online bestellen und im Ladengeschäft abholen, online geteaserte Aktionen, die im Ladengeschäft einen Vorteil bringen oder andersherum o.ä. Es ist mehr denn je wichtig, den Kunden auf verschiedenen Wegen/Kanälen anzusprechen und sein individuelles Kaufverhalten zu bedienen. Deshalb sollte man E-Commerce und stationären Handel nicht getrennt voneinander betrachten, sondern als zwei Kanäle die auf das Gesamtziel einzahlen. Insbesondere ist es dabei wichtig, ein Verständnis auf beiden Seiten zu schaffen, dass sie einen Mehrwert zum großen Ganzen leisten. Die separate, fast feindliche Betrachtung von online und offline legt sich auch auf die Belegschaft nieder, die beide Wege zum Erfolg führen sollen. Welche Marketing-Maßnahmen sind für E-Commerce essentiell? Das kommt immer auf die Kapazitäten an. Je nach Budget und Mannstärke kann man einen Online-Shop auf vielfältige Weise bewerben. Ich würde da nicht von essentiellen Marketing-Maßnahmen sprechen. Gerade in den letzten Jahren erobern E-Commerce-Unternehmen nach und nach die Fernsehwerbung. Werbung von Zalando, Baby-Markt.de oder anderen hat man vor ein paar Jahren in dem Maße noch nicht im TV gesehen. Klar ist, dass Online-Maßnahmen sehr gut die Customer Journey aufzeigen können. Daraus kann man dann auch einiges an Learnings ziehen – was funktioniert und was nicht. Aber dafür muss man auch die Daten messen, abbilden und richtig interpretieren können. Grundsätzlich liegt E-Commerce schon näher an den Online-Maßnahmen – sicherlich, weil es sich im Internet abspielt. Und ja, POS-Maßnahmen wie Displays oder Zweitplatzierungen im stationären Handel sind nicht in den E-Commerce-Shop eins zu eins zu übertragen. Aber grundsätzlich ist vieles möglich. Wichtig ist, dass die Maßnahmen ineinander greifen und jede klar und zielgruppengerecht eine Botschaft transportiert. Mit vielen Online-Maßnahmen wie Anzeigen im Search oder Mobile-Bereich oder auch Display-Werbung erhöht ein Shop natürlich seine Reichweite und leitet den Kunden direkt in den Shop – und wenn möglich auch gleich auf die Seite, die den größten Nutzen für den User bringt. Es kommt ganz auf die Ziele an, die man erreichen will – Reichweite, Brandig, Abverkauf etc. Grundsätzlich sollte man allerdings Suchmaschinenoptimierung bereits einen Platz einräumen, wenn der Shop erstellt wird. Auch Partner- bzw. Affiliate-Programme oder E-Mail-Marketing bieten Synergien bei der Vergrößerung der Fläche an. QR-Codes oder Couponing-Modelle können eine schöne Methode sein, um die Offline-Maßnahmen mit dem Online-Shop zu verknüpfen. Denn machen wir uns nichts vor – kaum jemand macht sich die Mühe und gibt eine URL in den Browser ein. Rabatte, richtig abgebildet in Anzeigen, führen meist auch zu einer gesteigerten Nachfrage. Aber hier sollte man zuvorderst prüfen, ob man sich solch eine Preispolitik leisten kann.