ChatGPT, Bing, Bard & the Future of Search

Seit im November 2022 ChatGPT der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, dominiert in der Online-Marketing-Welt kein Thema so sehr wie das der Chat-KIs. Für SEOs ist das Thema umso spannender, da mit der Integration von ChatGPT in Microsofts Websuche Bing der Grundstein für eine neue Ära der Websuche gelegt wurde. In einer dreiteiligen Serie fasst unsere SEO-Expertin Alena (Chapter Lead SEO & UX bei EPROFESSIONAL) die Entwicklungen rund um Bing Chat sowie Google BARD zusammen und teilt ihre Gedanken zur Zukunft der organischen Websuche.

Teil 1: Was bisher geschah…

Am 30.11.2022 präsentierte die Firma OpenAI ihre Konversations-KI ChatGPT der Öffentlichkeit und öffnete das Programm gleichzeitig für die Testung. OpenAI wurde 2015 gegründet und ist eine Non-Profit-Organisation, die massive Investitionen von Microsoft erfahren hat. GPT steht für Generative Pretrained Transformers und es handelt sich hierbei um ein Large Language Modell (eine auf einem Transformer-Modell basierende Künstliche Intelligenz), das Inhalte und Texte lernt, analysiert und verarbeitet. Der KI können Fragen gestellt werden und sie antwortet, indem sie die gelernten Inhalte selbstständig in eigener Form wiedergibt.

Zwei Wochen nach der Veröffentlichung von ChatGPT berief Google eine Taskforce in der Search Division des Unternehmens ein*. Innerhalb kürzester Zeit wurde für Anfang Februar 2023 ein Event geplant, bei dem Googles Antwort auf ChatGPT der Öffentlichkeit präsentiert werden sollte: BARD. Bis dahin dominierte ChatGPT die Medien: Entwickler waren begeistert über die Qualität des Codes, die das Programm schreibt, und diverse Branchen erarbeiteten Use-Cases, wie KI in ihren Alltag intergiert und die täglichen Aufgaben erleichtert werden könnten. 

Es gab aber auch Kritik, zum Beispiel, dass ChatGPT nur mit Inhalten aus nicht-aktuellen Datenbanken (Datensätze waren nicht jünger als November 2021) trainiert wurde und auf aktuelle Ereignisse keine Antworten geben könnte, oder auch, dass Antworten teilweise faktisch falsch waren. Die ethische Diskussion rund um die Integration von KI in unser Leben und ihren potenziellen Gefahren wurden ebenfalls losgetreten.

Microsoft setzt Benchmark zur KI-Integration

Anfang Februar dann der nächste Coup: Microsofts Websuche, Bing, mit einem Marktanteil von 2,8 %** kündigte an, ChatGPT in die Suche zu integrieren und damit eine neue Art von Suchmaschine zu erschaffen. Die SEO-Welt wartete gespannt auf Googles Antwort in der Erwartung, dass der Marktführer in der Websuche eine deutlich bessere KI in der Hinterhand hat – und wurde beim Live-Event in Paris Anfang Februar enttäuscht. BARD hob sich nicht nennenswert von ChatGPT hinsichtlich Antwort-Qualität ab und brachte kaum einzigartigen Mehrwert gegenüber dem Bing-Konkurrenten mit sich.

Währenddessen arbeitete OpenAI (welches u. a. von einem ehemaligen Google-Mitarbeiter aus Googles KI-Abteilung GoogleBrain gegründet wurde) an der Version ChatGPT-4, die mit qualitativ besseren Antworten sowie der Ausgabe von Bild- und Video-Material überzeugte.

Ende März wurde BARD für ausgewählte Tester in den USA und Großbritannien zugänglich gemacht – und enttäuschte erneut, vor allem durch die mangelnde Qualität der Antworten als auch insbesondere die hohe Anzahl der falschen Antworten. ChatGPT und Bing optimierten laufend die Integration der Chat-KI in die Microsoft-Suche. In Kombination mit dem Bing-Suchalgorithmus und mithilfe eines eigens entwickelten Algorithmus namens Prometheus konnte ChatGPT so sein Potential und seine Qualität weiter entfalten. Die Nonprofit-Organisation Future of Life Institute forderte währenddessen eine sechsmonatige KI-Entwicklungspause von allen Systemen, die stärker als ChatGPT-4 seien, um Regierungen die Chance zu geben, KI-Entwicklung und -Einsatz zu regulieren***. Die potenziellen Gefahren seien zu groß, die Entwicklung schreite zu schnell voran. Mitunterzeichner waren einige Technologiegrößen der Branche, Experten und Wissenschaftler – und… Elon Musk, welcher OpenAI mitgründete. Ende März verbot Italien als erstes Land ChatGPT aus Jugendschutz- und Urheberrechts-Bedenken und gab OpenAI Zeit, in diesen Kriterien nachzubessern. Australien und Kanada kündigten ebenfalls an, ähnliche Schritte zu ergreifen.

 

Google unter Druck

Bei Google galt spätestens seit Anfang des Jahres „Alarmstufe rot“: Die Ankündigung von Samsung zu prüfen, ob Google nicht durch Bing als Standardsuchmaschine auf allen Samsung-Smartphones ersetzt werden sollte (was einen Vertrag zwischen Samsung und Google in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar aufs Spiel setzte), rüttelte den Marktführer nun endgültig wach und veranlasste Google dazu, einen internen Pitch vorzubereiten um den Partner Samsung von den Vorzügen der Googlesuche zu überzeugen – eine nahezu absurde Situation. Denn für Google stand nicht nur der Vertrag mit Samsung (und möglicherweise Apple mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro) auf dem Spiel, sondern vor allem auch das Kernprodukt des Unternehmens: GoogleAds.

In einem Interview kündigte Google-CEO Sundar Pichai an, dass Google 160 Entwickler mit dem Projekt Magi beauftragt hat. Diese sollten nicht nur zeitnah AI-Features in die bestehende Googlesuche integrieren, sondern zudem eine komplett neue, personalisierte Suchmaschine entwickeln, die ebenfalls eine Konversations-KI enthält. Bereits Anfang Mai präsentierte Google auf der Entwicklerkonferenz Google I/O, wie BARD in die Websuche eingebunden wird und diese zu einer Generative Search Engine entwickelt. US-amerikanische Nutzer*innen haben bereits die Möglichkeit, die Integration in Google Labs zu testen.

Websitebetreiber waren ob dieser Entwicklungen um ihren Online-Traffic besorgt, sorgen die KI-Modelle doch dafür, dass Antworten direkt gegeben werden und Nutzer*innen nicht mehr die Webseiten selbst aufrufen müssen – eine Entwicklung, die wir in Form von Featured Snippets in den vergangenen Jahren zunehmend beobachten konnten und nun mit Chat-KI-Modellen eine neue Dimension annehmen.

Die CEOs von Microsoft und Google, Satya Nadella und Sundar Pichai, wiesen darauf hin, dass sich die organische Websuche auch unter Konversations-KIs in einer Symbiose befinde und die Modelle anhand des Webcontents trainiert würden – und diese auch weiterhin brauchen werden. Sie versicherten, dass neue Anzeigenmodelle entwickelt würden und auch weiterhin Traffic auf die Webseiten geführt wird. Würden Websitebetreiber keinen Traffic mehr bekommen, würde auch der Anreiz, Content zu erstellen, wegfallen, und die KI könnte nicht weiter lernen.

 

2023 wird die Branche verändern

Trotz vieler offener Fragen ist eines klar: Wir erleben einen disruptiven Moment in der SEO- & SEA-Welt, ich würde sogar sagen, in der Online-Marketingwelt grundsätzlich. Die Benchmark wurde von Bing gesetzt. Die Entwicklungen haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten teilweise überschlagen und es ist zu erwarten, dass die kommenden Monate nicht weniger spannend werden.

In Teil zwei dieser Serie berichten wir über unsere Tests der KI-Tools, welche Erfahrungen wir mit ihnen gemacht haben und welche Schlüsse wir daraus ziehen. In Teil drei zeigen wir unsere Gedanken und Hypothesen über die Zukunft der Websuche und SEO auf. 

 

*Quelle: https://www.nytimes.com/2023/04/16/technology/google-search-engine-ai.html

**Quelle: https://searchengineland.com/microsoft-bing-search-market-share-problem-charts-417698

***Quelle: https://futureoflife.org/open-letter/pause-giant-ai-experiments/